August 24, 2006

Gewalt als Dissoziation und Assoziation 7

Die gegenseitige freie Anerkennung, Liebe und Freundschaft vereinigt Verschiedenartiges und macht eine beiderseitige Kooperation möglich. Diese Vereinigung zum Zweck des koordinierten Handelns wird oft auch Macht genannt. „Macht aber besitzt eigentlich niemand, sie entsteht zwischen Menschen, wenn sie zusammen handeln, und sie verschwindet, sobald sie sich wieder zerstreuen.“(1) Gewalt hingegen, sei im Gegensatz zur Macht und deren institutionalisierten Form der Herrschaft, frei von jeder Rechtfertigung und Beschränkung und vielleicht frei von der Zweck-Mittel-Relation.(2)

So sehr den Ersteren die Macht als heilvolle regulative Idee erscheint, die nur zerstört, nicht aber von Gewalt ersetzt werden kann(3)ist den daran Anschließenden die Macht „ein Vermögen, welches großen Hindernissen überlegen ist. Eben dieselbe heisst eine Gewalt, wenn sie auch dem Widerstande dessen, was selbst Macht besitzt, überlegen ist“.(4) Auch wenn die beiden Auffassungen hier antagonistisch gegeneinander stehen, können sie dennoch kakophon gemeinsam klingen, weil beide nicht die ganze Wahrheit beschreiben, sondern Kant die Macht nicht von Stärke oder Kraft differenziert und Ahrend einen auf’s Instrumentelle verengten Gewaltbegriff beschreibt.(5) Damit denunzieren sich beide Autoren als Nutznießer einer der vielen Verbindungen zwischen Macht und Gewalt.

Angesichts dessen, dass Macht als ein Miteinander beschrieben werden kann, das nahe genug ist, um die Möglichkeit des Handelns ständig offen zu halten“,(6) intendieren alle PhilosophInnen dem oder der LeserIn diese Nähe zu vermitteln. Gelingt diese Wahrheitsübertragung, ist durch geteilte Überzeugungen und Wissen neue Macht entstanden. Der Assoziation dieser neuen Macht liegt die Dissoziation der vormaligen Macht zugrunde. Anders gesagt, zwängen, drückten und schieben jene verbalen Umstände, die mit enger Nähe zu der einen Macht verbunden sind, zur Forderung von größter Distanz zur anderen Macht. Die Kehrseite von Assoziation und Nähe ist die Dissoziation von vormaliger Nähe, der Aufbau von Distanz zur vormaligen Assoziation. Was dem Widerstande dessen trotzt, was selbst Macht besitzt, also der Vereinigung Verschiedener überlegen ist, der ursprünglichen Einheit etwas entrückt und ihr verschieden macht, ist die Stärke und Kraft der Gewalt.

Im Folgenden sollen die Überlegungen zu den Verhältnissen von Sprache und Gewalt anhand der Phänomenbündel ‚Gender’ und ‚Bundeswehr’ fortgesetzt werden.



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1: Ahrend, H. (1967)11: Vita activa oder Vom tätigen Leben, München: Piper Verlag. S.252.
2:Benjamin, W. (1977): Gesammelte Schriften. Bd.2. Tidemann R. u.a. (Hrsg.). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
3: Ahrend 1967: 255-257.
4: Kant, I.: Kritik der Urteilskraft §28 (II 105)
5: Ahrend: Macht und Gewalt: 12; 63; 52.
6: Ahrend 1967: 253.

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