September 22, 2006

Gewaltiges Paradox

Ich:
Die Frage verliert ihren Fragecharakter wenn sie beantwortet wird. Nur wenn sie beantwortet wird, kann sie Nachkommen zeugen.
Fragen müssen gepflegt werden um zu sehen was an Fragen und Antworten in ihnen steckt.
(Meth.: Samen muß man pflegen.)

Heidegger:
Die Frage erschließt sich vorgängig vom Gefragten her, d.h. die Antwort ist der Frage vorausgehend. Nur wenn es Antworten gibt, können Fragen gestellt werden. Es gibt also unmengen Antworten, die nur darauf warten gefragt zu werden.

September 07, 2006

Von der gewalttätigen Natur zur Kultur der Gewalt 9

Von der anthropologischen Konstante zum Kulturrelativen Konstituens der Gemeinschaft

Immanuel Kant sieht im Menschen einen „Mechanismus der Natur“ wirken, der durch „selbstsüchtige Neigungen“ (ebd.) und „böse Gesinnung“ (ebd.) genährt wird und letztlich auf dem „radikal Bösen“ beruht, also einem „in seiner Gattung verwurzelter Hang“ (ebd.). Dieser „Bösartigkeit der menschlichen Natur“ entspricht eine wilde, gesetzlose Freiheit, durch die sich Menschen „schon durch ihr Nebeneinandersein lädieren“(ebd.) weil sie in natürlicher Weise „ihren Privatgesinnungen einander entgegen streben“ (ebd.). Das menschliche Zusammenleben kann Kant daher, ähnlich seinem Kollegen Hobbes als einen „Zustand des Krieges“. „Der Krieg aber selbst bedarf keines besonderen Beweggrundes, sondern scheint auf die menschliche Natur gepfropft zu sein“, so dass „wenngleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben“ besteht. Auf diese Art und Weise sieht er eine als „ein Volk von Teufeln“ perhorreszierte Menschheit.

Dieser kantischen Differenzierung zwischen Menschen und Teufeln unterliegt die Verschiedenheit der Menschen hinsichtlich der umfassenden und neutralen Kategorie der Sittlichkeit, die als Grundhaltung eines ‚pflichtgemäßen’ Handelns das vom reinen allein durch Vernunft bestimmten Willen abhängt. Die Sittlichkeit dient ihm gemeinsamer Maßstab, anhand dessen der Vergleich erfolgen kann. „Was ähnlich ist, von dem nimmt man an, dass es zur selben Klasse gehört, und was das eine von dem anderen unterscheidet, wird als das dem Gegenstand Eigene [individuelle] betrachtet.“ Ergebnis dieses Vergleichsprozess die Markierung von zusammengehöriger Eigenschaften (Satz der Identität), die jeweils verschiedenen Klassen (Satz vom zu vermeidenden Widerspruch) zugeordnet sind. Von hier aus können Praktiken der Exklusion und Reinigung greifen, weil Unterschiedliches als die „Abweichung von dem was geteilt wird“ markiert ist.

Neben Relativität der Gewalt zum propositionalen, Differenzen setzenden und minutiös kassifizierenden Akt, offenbart das essentialistische Verständnis der Gewalt, eine grundsätzliche Ambivalenz, die Inkludieren als auch Ausschließen kann, und die Frage offen lässt, wie aus Einzelteilen ein autonome Gemeinschaft werden kann. Wie „eine Menge von Vernünftigen Wesen, […] so zu ordnen und ihre Verfassung einzurichten [ist…], dass, obgleich sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegenstreben, diese einander doch so aufhalten, dass in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg ebenderselbe ist, als ob sie keine solchen bösen Absichten hätten“ ?

Kants Antwort besteht letztlich darin, Verträge zu fordern, die öffentliches Verhalten von Gewalt reinigen und die einander entgegenstehenden Interessen, Werte und Ideen neutralisieren. „Gewalt, das Bedrohliche, die Ordnung gefährdende, daher letztlich Asoziale und Amoralische soll mit Hilfe der kontraktuellen Vernunft nicht lediglich sublimiert, sondern ihr soll – so etwa durch die vertragliche Absicherung des staatlichen Gewaltmonopols – moralische Qualität verliehen werden.“ Genau wie bei Hobbes gilt dabei auch Kant auctoritas non veritas fecit legem, d.h. „die Leidenschaften der Gewalt werden durch Regeln zeitweise gebändigt, etatisiert und in ein legales Instrument umgewandelt.“

Somit erfahren die Menschen nicht nur durch die Konflikte Dritter eine soziale Integration als Gruppe und somit ist „Gewalt als Resultat einer typischen Form der sozialen Integration und eben nicht des Desintegration aufzufassen, also einer spezifischen gesellschaftlichen >Normalität<>Ausnahme-<>Negativzustandes<.“ Gewaltanwendung die auch in diesem Zusammenhang „als eine ungeheuerliche Verbindung von völlig unerträglichem, dennoch aber ewig auszustehenden Leiden – und Verspottung zu definieren ist,“ bzw. die Drohung mit Gewalt, erlaubt eine Integration in soziale Ordnung.


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Heute ganz ohne Fußnoten- aber es sei Dir versichert es gibt 14 Stück.